Stärkung der Bürgerorientierung in öffentlichen Organisationen

Kundenfreundlichkeit und die Vereinfachung von Prozessen werden in öffentlichen Organisationen immer wichtiger [1]. Dennoch wird die Perspektive von Bürger*innen bei der Gestaltung von Prozessen und Dienstleistungen in öffentlichen Organisationen oft vernachlässigt. Insbesondere der Aufstieg der Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) hat dazu geführt, dass Bürgerinnen und Bürger, insbesondere als Steuerzahler, den öffentlichen Sektor zunehmend mit dem privaten Sektor vergleichen und einen besseren Kundenservice fordern [1]. Allerdings hinkt der öffentliche Sektor den nahtlosen und nutzerzentrierten Erfahrungen aus der Privatwirtschaft weit hinterher [2]. Gründe dafür sind stagnierende Ressourcen, fehlende IKT-Kompetenzen im öffentlichen Sektor und neue Formen komplexer Krisen (z. B. Klima- und Flüchtlingskrisen, oder COVID), die nicht mehr nur eine Abteilung einer Verwaltung betreffen, sondern eine bereichsübergreifende Zusammenarbeit und Koordination erfordern.

Um diesen Herausforderungen zu begegnen, werden in verschiedenen Forschungsrichtungen innovative Konzepte und Methoden entwickelt, die das übergreifende Ziel verfolgen die Bürgerorientierung in öffentlichen Organisationen zu erhöhen und auf die gestiegenen Anforderungen der Bürger zu reagieren. Wir können Ihnen unsere praktische und theoretische Expertise für innovative Konzepte und Methoden wie die folgenden anbieten:

Koproduktion

Öffentliche Organisationen entwickeln ihre Dienstleistungen zunehmend in Koproduktion mit ihren Nutzerinnen und Nutzern. Die Koproduktion von öffentlichen Leistungen umfasst dabei die Einbeziehung von Bürger*innen sowie anderen Akteuren außerhalb der öffentlichen Verwaltung in die Gestaltung, Produktion und Bereitstellung von öffentlichen Leistungen [3]. Hierbei nehmen die Bürger*innen die Rolle eines Partners und weniger die eines Kunden ein. Koproduktion wird oft als Treiber für die Schaffung von Innovationen zur Steigerung des öffentlichen Wertes im öffentlichen Sektor [4], erhöhte Legitimität, mehr Effizienz und Effektivität der Regierung und mehr Verantwortlichkeit [5] gesehen.

Agile Organisationspraktiken

„Agil“ ist ein Schlagwort, das seinen Ursprung in der Softwareentwicklung hat. Projekte in der Software-Entwicklung wurden in der Regel mit dem traditionellen Wasserfall-Ansatz bearbeitet: Jede Projektphase muss abgeschlossen sein, bevor das Team zur nächsten Phase übergehen kann [6]. Dieses sequenzielle Vorgehen führt zu Ineffizienz, insbesondere weil auf externe und interne Änderungen nur schwer reagiert werden kann und eine abschließende Bewertung erst am Ende eines ganzen Prozesses möglich ist [7]. Im Vergleich zum Wasserfall-Ansatz setzt ein agiler Ansatz auf kürzere Entwicklungsphasen und eine radikale Zusammenarbeit mit dem Kunden oder dem Endnutzenden (z. B. Bürger*innen) einer Leistung in jeder Phase [6]. Agile Organisationspraktiken können als Oberbegriff verstanden werden [6], der eine Reihe von Routinen, Strukturen und Prozessen (z. B. Scrum, Kanban, funktionsübergreifende Teams, flache Hierarchien, Retrospektiven, oder Design Thinking) beschreibt, die das übergeordnete Ziel haben, zu einem kulturellen Wandel in öffentlichen Organisationen zu führen [7].

Reduzierung des bürokratischen Aufwands für Bürger

Unverhältnismäßiger Bürokratieaufwand („administrative burden“ - AB) tritt häufig auf, wenn Bürger mit öffentlichen Organisationen interagieren. Burden et al. (2012) verstehen unter AB, wenn ein Individuum die Umsetzung von Politik als belastend empfindet. Es ist wichtig zu verstehen, dass für Bürger*innen der Prozess der Interaktion mit dem Staat genauso wichtig, oder sogar wichtiger ist, als das schlussendliche Ergebnis der Interaktion [9]. Daher ist es für Bürger*innen zentral, dass sie ihre Interaktion mit dem Staat als fair, gerecht und respektvoll wahrnehmen [9]. Einige AB dienen legitimen Zwecken - zum Beispiel, um Betrug bei Sozialhilfeprogrammen zu verhindern [9]. In vielen Fällen sind AB jedoch mit Kosten für die Bürger*innen verbunden. Moynihan et al. (2015) unterscheiden zwischen drei Arten von Kosten für Bürger*innen: Lernkosten (z. B. der Suchprozess zur Beschaffung von Informationen über öffentliche Leistungen), psychologische Kosten (z. B. belastende Antragsprozesse sowie der Verlust von Autonomie und die Zunahme von Stress aufgrund des Verwaltungsprozesses) und Compliance-Kosten (Befolgung von Verwaltungsregeln und -anforderungen).

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Prof. Oliver Neumann
Oliver.Neumann@unil.ch

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Pascale-Catherine Kirklies (Doktorandin und wissenschaftliche Mitarbeiterin)
pascale-catherine.kirklies@unil.ch

Quellen

[1] Indihar Stemberger, M., & Jaklic, J. (2007). Towards E-government by business process change—A methodology for public sector. International Journal of Information Management, 27(4), 221–232. https://doi.org/10.1016/j.ijinfomgt.2007.02.006

[2] Mergel, I., Gong, Y., & Bertot, J. (2018). Agile government: Systematic literature review and future research. Government Information Quarterly, 35(2), 291–298. https://doi.org/10.1016/j.giq.2018.04.003

[3] Voorberg, W. H., Bekkers, V. J. J. M., & Tummers, L. G. (2015). A Systematic Review of Co-Creation and Co-Production: Embarking on the social innovation journey. Public Management Review, 17(9), 1333–1357. https://doi.org/10.1080/14719037.2014.930505

[4] Bovaird, Tony, & Loeffler, E. (2012). From Engagement to Co-production: The Contribution of Users and Communities to Outcomes and Public Value. VOLUNTAS: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations, 23(4), 1119–1138. https://doi.org/10.1007/s11266-012-9309-6

[5] Verschuere, B., Brandsen, T., & Pestoff, V. (2012). Co-production: The State of the Art in Research and the Future Agenda. VOLUNTAS: International Journal of Voluntary and Nonprofit Organizations, 23(4), 1083–1101. https://doi.org/10.1007/s11266-012-9307-8

[6] Mergel, I. (2016). Agile innovation management in government: A research agenda. Government Information Quarterly, 33(3), 516–523. https://doi.org/10.1016/j.giq.2016.07.004

[7] Mergel, I., Ganapati, S., & Whitford, A. B. (2020). Agile: A New Way of Governing. Public Administration Review, puar.13202. https://doi.org/10.1111/puar.13202

[8] Burden, B. C., Canon, D. T., Mayer, K. R., & Moynihan, D. P. (2012). The Effect of Administrative Burden on Bureaucratic Perception of Policies: Evidence from Election Administration. Public Administration Review, 72(5), 741–751. https://doi.org/10.1111/j.1540-6210.2012.02600.x

[9] Moynihan, D., Herd, P., & Harvey, H. (2015). Administrative Burden: Learning, Psychological, and Compliance Costs in Citizen-State Interactions. Journal of Public Administration Research and Theory, 25(1), 43–69. https://doi.org/10.1093/jopart/muu009

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